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Abenteuer erste Stunde

Einschulung des Kindes bedeutet oft eine Umstellung für die ganze Familie

Ab jetzt morgens pünktlich in der Schule zu sein – das ist nicht nur für Erstklässler, sondern für die ganze Familie eine Umstellung. Noch gerade das Lieblingskuscheltier aus dem Kinderzimmer holen, über die blaue oder die grüne Hose diskutieren oder beim Frühstück trödeln: Verzögerungen, die zu Kitazeiten nicht so dramatisch waren, versetzen Mütter und Väter nun in Stress. Und der – sorgt auch für schlechte Stimmung.

„Feste Anfangszeiten einzuhalten und eben nicht zehn Minuten zu spät zu kommen, erfordert einen neuen Zeitplan“, erklärt Manon Sander. Die Grund- und Realschullehrerin weiß als Mutter von sechs Kindern im Alter von 6 bis 19 Jahren, wovon sie spricht. Ihr Tipp: Sich bereits in den letzten Kita-Wochen vornehmen, pünktlich zu sein. Und früher aufstehen. Nicht selten verschiebt sich der Tagesrhythmus der ganzen Familie, denn wer morgens eher aus den Federn muss, muss abends auch eher ins Bett. 

„Ich finde es wichtig“, so die Ratgeber-Autorin, „gemeinsam zu frühstücken. Schulranzen und Turnbeutel sollten aus Zeitgründen am besten schon abends gepackt werden.“ Und da auch die Diskussion um die passende Kleidung morgens ein echter Zeitkiller ist, sollten Kinder diese bereits am Abend vorher aussuchen.

Ihren morgendlichen Rhythmus umgestellt haben auch Edda Bischof und Tobias Wägele in Werther. Ihr Sohn Anton (7) besucht nach den Sommerferien die zweite Klasse der Grundschule Werther. Seit Mai geht er mit einer Klassenkameradin allein zur Schule. „Damit die beiden auch genügend Zeit haben, muss Anton um 7.20 Uhr aus dem Haus“, erzählt Edda Bischof. Den Frühstückstisch deckt die 41-Jährige immer schon abends. Morgens wechselt sie sich mit Antons Vater bei den Aufgaben ab: Einer macht Kaffee, Brote und Proviant, der andere begleitet Sohnemann beim Zähneputzen und Anziehen. „Verzögerungen gibt es  immer – und sei es nochmal schnell aufs Klo zu gehen“, erzählt sie und lacht.

Das kennt auch Regina Schimmer nur zu gut. Tochter Mona und Sohn Mika bringt sie morgens zur Schule und zum Kindergarten und fährt dann weiter zur Arbeit. „Das geht morgens nach der Uhr. 15 Minuten und einen Kaffee brauche ich für mich, bevor es losgeht.“ Auch sie rät dazu, den Kindern morgens etwas mehr Zeit einzuräumen, sonst werde es hektisch und laut.  

Anton wird um 13.30 Uhr aus der Randstundenbetreuung von Mama, Papa oder Oma abgeholt. Da beide Elternteile seit seinem ersten Geburtstag jeweils 30 Stunden in der Woche arbeiten, reicht ihnen diese Betreuungszeit aus. „Das setzt eine gute Organisation und Absprache voraus“, erklärt die Mutter. Nach dem Mittagessen stehen die Hausaufgaben an. „Darüber gibt es bei uns auch keine Diskussionen, denn abends klappt das überhaupt nicht.“  Diese Reihenfolge empfiehlt auch Manon Sander: „Nach einer kurzen Erholungsphase sollten die Kinder ihre Hausaufgaben machen, damit das Thema abgeschlossen ist und sie dann wirklich frei haben“, so die Expertin, die selbst in Herford ihr Abitur machte und an Schulen in der Region unterrichtete. Sie rät den Eltern konsequent zu bleiben und unmotivierten Mädchen und Jungen die kommende Spielzeit in Aussicht zu stellen.

Mika, der im offenen Ganztag der Grundschule Babenhausen ist, wird gegen 15 Uhr abgeholt. „Dann hat er Mittag gegessen und in der Regel auch die Hausaufgaben gemacht. Dann hat er Freizeit.“ Er trifft sich mit Freunden oder geht zum Sport. Doch am frühen Abend sprechen Eltern und Sohn nochmals die Hausaufgaben durch. Und damit sie die nötige Ruhe dazu haben, hat Regina Schimmer bei ihrem Kindergartenkind in die Trickkiste gegriffen. „Mona hat einen Rucksack mit Stiften und Block bekommen und macht dann auch „Hausaufgaben“. Einige Freundinnen haben das übernommen und es klappt erstaunlich gut.“ 

Bei den Hausaufgaben helfen sollten Eltern nach Ansicht Manon Sanders nicht, sondern die Schüler alleine arbeiten lassen. Trotzdem Ansprechpartner sein und die Leistung des Kindes anzuerkennen, sind zwei wichtige Bausteine: „In der Kita waren ja immer alle Aufgaben frei und die Kinder wurden für alles gelobt. Dass nun bestimmte Aufgaben erledigt werden müssen, ist für Schulanfänger neu.“  Eltern sollten darauf bestehen, dass die Aufgaben gemacht werden, aber nicht, dass diese auf Anhieb gleich richtig gelöst werden. In ihrem Unterricht ist es der Pädagogin wichtig, einzuschätzen zu können, wo Eltern mitgearbeitet haben. „Ich habe in meinen Klassen verabredet, dass die Erwachsenen eine andere Stiftfarbe benutzen, wenn sie bei Hausaufgaben geholfen haben. So sehe ich, was die Kinder noch nicht verstanden haben.“

Für den Nachmittag empfiehlt die Expertin, die seit 2012 mit ihrer Familie in Bayern lebt, freies Spiel und freie Zeit mit den Freunden. „Heutzutage ist vieles von den Eltern gelenkt. Dabei reichen ein bis zwei feste Termine in der Woche aus“, ist sie sicher. Gut sei, wenn auch die Eltern sich untereinander kennenlernen, sei es durch gemeinsame Nachmittage in der Schule, ein Sportfest oder einen Museumsbesuch mit der Klasse. Manon Sander: „Wenn Kinder die anderen Eltern kennen, trauen sie sich schneller, sich zu verabreden.“

Auch Edda Bischof ist froh, dass Anton in seiner Klasse so schnell Anschluss gefunden hat. Einmal die Woche geht er zum Sport, ansonsten kann er sich frei verabreden. „Da wir erst zur Einschulung nach Werther gezogen sind, musste er sich hier neu einleben. Sehr geholfen hat dabei, dass wir uns einer Laufgruppe angeschlossen haben“, erinnert sich die Mutter. Anfangs noch in Begleitung der Eltern konnte der Erstklässler so bereits auf dem Schulweg Kontakte knüpfen und Freundschaften schließen. Die Mutter ist beeindruckt, wie selbständig ihr Sohn innerhalb eines Jahres geworden ist. Er meistert nicht nur seinen Schulweg allein, sondern hat auch seinen Wochenarbeitsplan selbständig im Blick. „Auch Eltern müssen sich umstellen: In der Kita ist immer Zeit, sich mit den Erzieherinnen über das eigene Kind und den Tag zu unterhalten. In der Schule gibt es – wenn nichts Gravierendes passiert – lediglich zweimal im Jahr einen Elternsprechtag.“

Um den eigenen Kindern den Schritt in mehr Selbständigkeit zu erleichtern, rät Manon Sander, mit ihnen bestimmte Dinge zu üben: „Kinder, die in die Schule kommen, müssen nicht rechnen und schreiben können. Sie sollten zählen können, ihren Schultornister in Ordnung halten und motorische Fähigkeiten mitbringen wie sich alleine anziehen oder Schleifen binden.“ Und Kinder viel erzählen zu lassen, hält sie für eine gute Vorbereitung. „Da das Schreiben lernen am Anfang viel über Bildkarten läuft, ist es gut, wenn Kinder Sachen beschreiben können.“

Stefanie Kullmann

FOTO: FOTOLIA