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...und eine Portion Quatsch

Erwin Grosche macht Kleinkunst für Kinder und Erwachsene

Da sind sie wieder, diese großen runden Augen, mit denen er so eindringlich gucken kann. „Ich habe einfach diesen Kinderblick“, sagt der Paderborner Kleinkünstler Erwin Grosche – und meint damit nicht nur seine Kulleraugen, sondern vor allem auch seine Fähigkeit, die Welt mit Kinderaugen zu sehen. „Ich stehe morgens auf und kann alles als neu erleben.“

Wie aufregend muss da der Alltag sein! Erwin Grosche sieht Sonderbares und Besonderes in ganz normalen Dingen und lässt sie sprechen und klingen – egal ob Spannbettbezug, Staubsauger oder Föhn. „Ich bin der Föhn und mache STÖÖÖÖÖHN!“ Genau: Reim, Rhythmus und eine Portion Quatsch gehören auch dazu, dann ist es ein echter Grosche.

Dabei wollte er als junger Mann vor allem eins: ein ernsthafter Künstler werden. Zum Glück waren immer Menschen um ihn herum, die fanden, dass er ruhig Quatsch machen und für Kinder auftreten solle. Und dann sind da auch noch die eigenen drei Kinder und Enkelkinder. Bereits mit 18 Jahren wird er Vater. Es sind die 70-er Jahre, WG-Zeiten, und Grosche schreibt jetzt einfach, während er auf Spielplätzen sitzt oder am Ufer eines Badesees. Er reimt und singt mit seinen Kindern und produziert mit ihnen und ihren Freunden Hörspiele und Kinder-Langspielplatten.

Sein Leben in privat und beruflich zu trennen, ist Grosche fremd. Kleinkunst sei "ein Lebenszustand", und als Kleinkünstler mache er, was ihm ein- und auffällt – egal ob es ein Gedicht ist, ein Film oder ein Kinderbuchverlag. Den hat der 59-Jährige tatsächlich jüngst mit Harald Morsch in Paderborn gegründet, um Bücher herauszubringen, die ihm wichtig sind. Kleine, feine Texte, für die auf dem großen Büchermarkt kein Platz ist.

Dass er auf diesem unangepassten Weg von so vielen Seiten unterstützt und gefördert wurde, erscheint ihm manchmal wie ein Wunder. Dabei trägt er dieses schöne Gefühl, behütet zu sein, schon seit der Kindheit in sich. „Meine drei älteren Geschwister haben mich immer beschützt“, sagt er und erinnert sich gerne an das Aufwachsen in einem kleinen Dorf bei Lippstadt. Sein Vater war Bäckermeister, seine Mutter führte ein Lebensmittelgeschäft und glaubte fest an das Gute. Eine besondere Nähe hat er zu seinem Bruder Heiko, der Schauspieler wurde. Dass gleich zwei der Bäckerskinder Künstler sind, findet Erwin Grosche nur folgerichtig. „Ein guter Bäcker ist auch ein Künstler“, sagt er und erzählt, wie er als Junge geholfen hat, die Torten auszuliefern. „Dann haben wir vorher schnell noch ein kleines Gedicht oder einen Sketch erfunden und das den Kunden vorgetragen.“

Kuchen ist für ihn bis heute ein Glück und ein Zuhause. Er liebt den Weyherschen Apfelkuchen im Paderborner Haxtergrund, den er schon als Kind gegessen hat. Seine Schwester verwöhnt ihn gerne mit Holländer Kirsch. Und an fremden Orten sucht er oft zuerst eine Bäckerei oder Buchhandlung auf, um sich heimischer zu fühlen.

Eine echte Heimat ist ihm Paderborn geworden. Eine Stadt mit genau der richtigen Größe und einer gewissen Ordnung. Die ist ihm wichtig, sein eigener innerer Kosmos sei schon chaotisch genug. „Und dieses Chaos kann ich nur bewältigen durch Routine.“ Sein Tag ist darum klar strukturiert: Morgens drei Stunden schreiben, um 10 Uhr raus mit dem Hund, um 15 Uhr Nachmittagskaffee und noch einmal drei Stunden schreiben. Über die Jahre sind so mehr als 50 Bücher und Kinderbücher, ebenso viele Tonträger, zahlreiche Bühnenstücke und Filme entstanden. An Feiertagen moderiert Grosche die Radiosendung "Bärenbude" auf WDR 5, schreibt und spricht die Nachrichten von Balduin Binder, tritt in Schulen auf, macht Kabarett für Kinder und steht mit Tochter Lisa auf der Bühne.

Auch in sein Erwachsenenprogramm baut er gerne Kindertexte ein. Erwachsene müssen manchmal erinnert werden, wie wichtig Phantasie ist. „Kinder wissen das“, sagt Grosche. Ihre Phantasie müsse er nicht wecken, er will sie höchstens bestärken, den eigenen Träumen zu trauen. „Was sind wir denn, wenn wir keine Träume mehr haben, an die wir glauben? Kein Innenleben, das uns überrascht?“ Da sind sie wieder, diese großen runden Augen, fragend, aber es blitzen auch Witz und Humor auf. Eben diese Portion Quatsch, von der Grosche glaubt, dass sie in jedem Menschen steckt und Kindern gut tut. „Das ist ein gutes Gerüst. Denn der Rest des Lebens ist lang.“ Silke Tornede