Ihr Sohn machte Gisela und Reinhard Maas vor 30 Jahren zu Unternehmern
Eine Firma zu gründen sah die Lebensplanung von Reinhard Maas und seiner Frau Gisela ursprünglich nicht vor. Mehr zufällig gründeten die beiden Pädagogen das Unternehmen Maas Naturwaren. Vor 30 Jahren.
Es war das Jahr 1985. Die Grünen schafften es in den Bundestag, der Bio-Landbau keimte auf. Auch der Sozialpädagoge Reinhard Maas und seine Frau, die als Sonderschullehrerin arbeitete, sympathisierten mit der Ökopartei. Als ihr Sohn Philipp auf die Welt kam, waren Wegwerfwindeln für sie absolut tabu. „Wie alle Eltern wollten wir alles richtig machen“, berichtet Maas. Deshalb passten schadstoffbelastete Textilien und Mülltonnen voller Wegwerfwindeln nicht in ihr Weltbild. Schnell war klar: Der Babypopo sollte in eine Mullwindel und Wickelhose gebettet werden. „Die konnten gewaschen und wieder verwendet werden.“ Das Problem jedoch war, dass nirgendwo in Ostwestfalen die Artikel erhältlich waren. In Reutlingen wurden sie schließlich fündig. Doch die Sache hatte einen Haken. „Die Firma bestand auf einen Gewerbeschein, um uns zu beliefern.“ Einmal darüber schlafen, 10 DM Investment in das Dokument und das Ehepaar wurde quasi über Nacht zum Unternehmer.
Wenn Reinhard Maas so darüber spricht und die Zeit reflektiert, muss er schon schmunzeln. „Wie wir begonnen haben, war recht abenteuerlich. Von Wirtschaft hatten wir ehrlich kaum Ahnung.“ Aber er fügt selbstbewusst hinzu: „Entweder man hat eine unternehmerische Ader oder hat sie nicht. Wir wuchsen in die Geschichte rein, lernten aus Fehlern und Erfolgen.“ Auf die Sammelbestellungen von Ökowindeln folgten ein kleines Lager und Verkauf im Wohnhaus der Familie. Die Wickelkiste sprach sich immer mehr rum, wurde jedoch sicherheitshalber zunächst im Nebenerwerb geführt. „Die Doppelbelastung war damals nicht schlimm. In dem Alter hat man ja Power.“
Ein Katalog von 16 Seiten – vervielfältigt auf Recyclingpapier – wurde erstellt, der Versandhandel in der Zeitschrift Ökotest beworben. Zu Wollhemden und Wolle-Seidenhemdchen sowie Strick- und Mullwindeln kamen Lauflernschuhe und Ostheimer Spielzeug hinzu. Die Maasens wussten durch Sohn Philipp und Tochter Nina aus eigener Erfahrung, was ihre Kundschaft wünscht. Das Sortiment wuchs, der Katalog wurde immer umfangreicher. Nach den Kindern rückten die Mütter in den Blick. Also folgte Damenoberbekleidung. Heute der stärkste Bereich im Unternehmen.
Von Jahr zu Jahr wuchs das Familienunternehmen. Bis zum Jahr 2000. „Der Umsatz ging zurück und wir hatten gerade erst im Jahr davor die neue Firmenzentrale in Gütersloh bezogen.“ Da durchlebte der Familienunternehmer, der früher Marathon lief, eine schwere Zeit. Doch alles überstanden. Im 30. Jahr seines Bestehens beschäftigt Maas Naturwaren 130 Mitarbeiter.
Drei Modedesignerinnen entwerfen eigene Kollektionen aus Naturfasern, die in acht Läden in Deutschland und über Katalog vertrieben werden. Produziert wird in zertifizierten Betrieben in der Türkei. „Im Umkreis von Izmir gibt es das größte Angebot an Biobaumwolle, dort wächst sie“, erklärt der 59-Jährige. Dabei geht es dem Unternehmer nicht nur um ökologisch korrekte Kleidung, hergestellt nach strengen Kriterien der Qualitätskontrolle, sondern auch um sozial hergestellte Waren. Maas selbst ist Gründungsmitglied des Internationalen Verbandes Naturtextilwirtschaft (IVN), der durch ganzheitliche Richtlinien ein Bewusstsein
schaffen will für Ökologie, soziale Verantwortung, Gesundheit und Qualität. Das lebt er vor, das ist Unternehmensphilosophie.
Neben seiner Aufgabe als Unternehmer und seiner Verbandsarbeit engagiert sich der Gütersloher als Jugendschöffe. Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen auch die Mitarbeiter. Im AWO-Projekt Brotzeit an der Grundschule Avenwedde bereiten zweimal in der Woche acht Mitarbeiterinnen Kindern, ein kostenloses Frühstück zu. Und Inklusion wird im Unternehmen schon lange praktiziert.
Gisela und Reinhard Maas liefern den Beweis, dass Ökologie und Ökonomie kein Widerspruch sind, sondern sehr wohl zusammen passen. Ihr Resümee: „Wir bereuen nicht, dass wir diesen Weg eingeschlagen haben.“
Susanne Esser
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